Für Lkw-Fahrer könnte das Ende der Brexit Übergangsphase zu einem Albtraum werden. Der nahende Brexit dürfte zu langen Warteschlangen für Lkw führen, die in Großbritannien auf Abfertigung warten – die Fahrer müssen sich auf jede Menge Unannehmlichkeiten einstellen. Eine der größten britischen Gewerkschaften sagt „Bloomberg“ zufolge „Chaos und Durcheinander“ an den Häfen voraus, wenn die Übergangsphase Ende des Jahres beendet wird. Der Grund: Die Regierung von Premier Boris Johnson habe angesichts der dann erforderlichen Bürokratie nicht ausreichend vorgesorgt. Die Fahrer müssten sich darauf einstellen, auf provisorischen Parkplätzen stundenlang in den Kabinen festzusitzen, so die Gewerkschaft – ohne geeigneten Zugang zu sauberen Toiletten, Waschgelegenheiten und ohne passende Möglichkeiten, zu essen oder auszuruhen. „Stinkende WC-Häuschen, ein paar Waschbecken unter freiem Himmel und ein Imbisswagen“, reichten nicht aus, so Adrian Jones von der Gewerkschaft Unite.
Nach dem Ende der Brexit-Übergangsphase droht ein harter Bruch mit Zöllen und hohen Handelshürden. Aber selbst wenn sich EU und Großbritannien noch auf ein Abkommen einigen, dürfte es wegen der erforderlichen Grenzkontrollen und der nötigen Bürokratie zu deutlichen Verzögerungen kommen. Die britische Regierung setzt deshalb auf neue IT-Systeme, um die Abfertigung flüssig zu gestalten. Diese befinden sich allerdings noch in der Entwicklung und wurden bisher nicht getestet. Den Plänen Londons zufolge werden LKWs mit einer Strafe von umgerechnet 325 Euro belegt, wenn die Fahrer nicht die erforderlichen Papiere präsentieren können – auf den provisorischen Parkplätzen müssen sie dann außerdem so lange warten, bis die neuen Dokumente vorliegen.
Die deutsche Wirtschaft könnte der Brexit Milliarden kosten, warnt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Allein der Automobilbranche drohten ohne Handelsabkommen mit Großbritannien Zölle in Höhe von mindestens zwei Milliarden Euro, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der „Augsburger Allgemeinen“. Das Automobilgeschäft stellt nach seinen Angaben den größten Anteil am Handelsvolumen zwischen Deutschland und Großbritannien. Die Zölle würden Fahrzeuge verteuern und zu einem Nachfragerückgang führen, durch den die Produktion von rund drei Millionen Fahrzeugen in den kommenden fünf Jahren eingestellt werden müsse, teilten 23 EU-Verbände der Autoindustrie in einer gemeinsamen Erklärung mit. „In der Wirtschaft wächst die Sorge vor einem Scheitern der Brexit-Verhandlungen“, erklärte Wansleben, bereits die Brexit-Unsicherheiten der Vergangenheit hätten „deutliche Spuren“ in den Wirtschaftsbeziehungen hinterlassen. Seit dem Brexit-Referendum 2016 seien die deutschen Exporte nach Großbritannien merklich gesunken – von 89 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 79 Milliarden Euro 2019. Dadurch sei das Vereinigte Königreich von Rang drei auf Rang fünf der wichtigsten Exportmärkte Deutschlands abgerutscht. Der Trend setze sich in diesem Jahr fort und werde durch die Coronakrise noch zusätzlich verschärft, sagte der DIHK-Hauptgeschäftsführer. So seien die deutschen Exporte nach Großbritannien zwischen Januar und Juli um fast 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken.
Ulrich Hoppe, Direktor der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer, sieht das genauso. Wichtigste Folge eines „No Deal“ wäre nämlich, dass nach Regeln der Welthandelsorganisation Zölle erhoben werden müssten. So würden zum Beispiel Autos teurer, die in Großbritannien produziert, aber auf dem Kontinent verkauft werden. „Für viele Firmen wird es unter Umständen nicht mehr wirtschaftlich sein, in Großbritannien in gleichem Maße zu produzieren“, sagte Hoppe. Der Autobauer BMW, der in seinem Werk in Oxford den Mini produziert, erwartet für den Fall deutliche Einschnitte. Auch Lebensmittel-Discounter wie Aldi und Lidl, die im Vereinigten Königreich mit mehr als 65 Millionen Konsumenten stark expandieren, müssten die Unterbrechung von Lieferketten fürchten. „Viele Dinge müssen schnell angeliefert werden, weil die Ware verderblich ist oder die Lagerkosten so hoch sind“, sagte Hoppe. Grenzkontrollen würde diese Just-In-Time-Lieferung behindern, Unternehmen müssten größere Lager anmieten.
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