Erfolgsfaktor für den Vertrieb im Maschinenbau
Wie jeder andere Wirtschaftszweig strebt auch der Maschinenbau kontinuierliches Wachstum und mehr Profitabilität an. Dabei konzentrierte sich der Vertrieb lange Zeit auf den reinen Maschinenverkauf. In den letzten Jahren hat sich die Branche zunehmend als Lösungs- statt als Produktanbieter positionieren können. So reagiert sie auf den aktuellen Wandel, wonach Kunden im 21. Jahrhundert mehr als ein Produkt erwerben wollen, unerheblich dessen ausgezeichneter Qualität. Vom Unternehmen erwarten sie anstelle singulärer Module vielmehr Komplettlösungen. Entsprechend scheinen besonders diejenigen Maschinenproduzenten, die sowohl den Wettbewerb im Blick haben als auch den Kunden mit einbeziehen, langfristig Potenzial für Erfolge zu besitzen. Sie sind daher gut beraten, ihre Vertriebsstrategie weiter in Richtung der Kundenbedürfnisse zu schärfen – und aus Maschinen und Peripherie integrierte Lösungspakete zu schnüren.
Mit einem Anteil von 20,6 Prozent der weltweiten Maschinenproduktion hält Deutschland laut VDMA im zunehmend globalisierten Umfeld nach China den zweiten Platz der wichtigsten Produzenten. Die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der Maschinen aus Deutschland kommt nicht von ungefähr. Lange Tradition, ein großer Erfahrungsschatz und hohe Flexibilität der Hersteller zur Entwicklung von Speziallösungen verbinden sich mit hoher Ingenieurskunst. Sie sorgen dafür, dass das weitreichende technische Know-how, die Innovationen und Hightech in die Entwicklung und in die Produktion einfließen. Die aus Deutschland stammenden, qualitativ hochwertigen Maschinen sind gesucht und helfen dabei, eine starke Kundenbindung aufrechtzuerhalten. Doch die weltweite Konkurrenz schläft nicht, und die Branche befindet sich im Wandel.
Die eindrucksvollste, hochwertigste Maschine nutzt nicht, wenn sie keinen Abnehmer findet. Die Positionierung der Kunden gegenüber den Maschinenbauern hat sich zum Beispiel in der zerspanenden Industrie jedoch verändert. Kunden sind nicht mehr nur an der eigentlichen Maschine interessiert, sondern wünschen sich ein Gesamtkonzept – eine Komplettlösung für ihr Anliegen. Anders ausgedrückt, sehen Kunden sich oftmals nicht länger als Käufer von Geräten, sondern bevorzugen die Unterstützung des Maschinenanbieters (und dessen Vertriebsmitarbeiter) bei der Optimierung ihres Alltagsgeschäfts. Unternehmen der zerspanenden Industrie scheinen sich weniger Zeit zu nehmen, sich mit einer Reihe verschiedener Maschinenbauer auseinanderzusetzen, um zu prüfen, ob wichtige Teile der Peripherie wie zum Beispiel Absauganlagen, Späneförderer, Ölnebelabscheider und selbst Maschinenverkleidungen mit der eigentlichen Maschine sowie miteinander kompatibel sind. Unter dem Aspekt, dass Maschinen in der Regel modular aufgebaut sind, können Anbieter der gedanklichen Neuausrichtung wiederum technisch durchaus nachkommen.
Für die Vertriebskommunikation und die Bewertung von Maschinen genügt die reine Maschinen-Spezifikation respektive die Hervorhebung von Produktstärken somit nicht mehr. Maschinenhersteller haben folglich bereits begonnen, sich als Lösungsanbieter zu positionieren und den Fokus des Vertriebs vom reinen Maschinenverkauf zur Technologie- und Prozessberatung hinzulenken. Entsprechend positionieren sich die umsatzstärksten Unternehmen des Sektors in ihren Selbstdarstellungen als “ganzheitlicher Lösungsanbieter” (DMG Mori) oder bewerben “komplette Systemlösungen, um Kundenwünsche perfekt umsetzen zu können” (Grob). Dieser Weg, nach dem statt des reinen Produkts das Kundenbedürfnis nach einer Lösung im Vordergrund steht, scheint für vertrieblichen Erfolg ausschlaggebend. Auch auf der Kundenseite sind moderne Einkäufer angekommen, die anders als in zurückliegenden Generationen denken und mehr als den alleinigen Erwerb eines Produkts erwarten. Perfekt ist ein Kauf für sie dann, wenn die Kompatibilität von Maschinen und deren Peripherie garantiert ist und die Funktionalität der Maschine mit Leistungen wie Serviceverträgen und Dienstleistungen nach dem Kauf als Teil des After-Sales aufrechterhalten wird. Um Wachstum zu realisieren, ist es deshalb unumgänglich, nicht nur den Wettbewerb zu betrachten, sondern den Kundennutzen in den Vordergrund zu stellen.
Natürlich steht für eine erfolgreiche Zukunft die Aufrechterhaltung der hohen Qualität und einer Flexibilität, die für Produzenten auch mit Nischenlösungen einhergehen kann, an oberster Stelle. Doch dies alleine genügt nicht. Die Kundenanforderungen im Maschinenbau scheinen zukünftig noch stärker auf die Integration der Peripherie, den Beitrag der Gesamteinheit zur Optimierung ihrer Prozesse und die Umsetzung der “Industrie 4.0” abzuzielen. Unter dem letztgenannten Schlagwort wird die intelligente Vernetzung der verschiedenen Maschinen, Geräte sowie Sensoren mit dem Menschen zusammengefasst. In der Praxis kann dies in der Erhebung und Aufarbeitung von Daten sichtbar werden. Beispielsweise steigern kontinuierlich erhobene Sensordaten einerseits die Informationstransparenz, und ermöglichen andererseits nach weiterer Aufbereitung eine Annäherung der Realität durch virtuelle Abbilder. Eine technische Assistenz unterstützt den Anwender unter Zuhilfenahme von visualisierten, aggregierten Informationen, wodurch sich im Alltagsbetrieb fundierte Entscheidungen leichter treffen und Probleme besser lösen lassen. Im Wissen über die weiter steigende Komplexität dieser Systeme suchen Kunden in der Zwischenzeit vertrauenswürdige Partner, die solche Funktionalitäten sicherstellen.
Für den Vertrieb empfiehlt es sich, das Selbstverständnis des Lösungsanbieters weiter zu stärken und damit dem kundenseitigen Ideal der “Lösung aus einer Hand” bestmöglich nachzukommen. Dies würde heißen, dass die Bedeutung der reinen Maschinenspezifikation im Vertriebsprozess weiter abnimmt, während Angebote mit entsprechenden Systemlösungen, flankiert von einem Serviceangebot und After-Sales-Konzepten, an Wichtigkeit zunehmen. Wahrgenommene Effizienzverbesserungen lassen sich durch die Integration oder reibungslose Anbindung von Peripheriegeräten erreichen, sodass eine Betonung dieser Möglichkeiten im Vertriebsprozess sehr vorteilhaft scheint. Im Sinne der Lösungsorientierung können auch breite Produktspektren den Erfolg des Vertriebs weiter unterstützen. Aus reaktivem Handeln auf geäußerte Kundenwünsche muss aktives Verkaufen werden. Im Ergebnis lässt sich eine Win-win-Situation somit nur dann herstellen, wenn der Vertrieb den Kundennutzen erkennt, sein Angebot daran ausrichtet und entsprechend kommuniziert. Verbunden mit dem bereits mehrfach aufgezeigten Kundenideal der Bereitstellung von Lösungen zeigt dies – schon im Wortsinn – erhebliche Potenziale für Vertriebsmethoden wie “consultative selling”. Hier bemüht sich der Vertrieb um die Rolle des Beraters, der im Verkaufsprozess die Vorteile für den Kunden betont und eine langfristige Zusammenarbeit anstrebt.
Zusammengefasst gilt: Sowohl für ein gesundes Wachstum als auch zur Gewinnsteigerung ist es sinnvoll, wenn sich der Vertrieb weiter (und womöglich zunehmend) kundenorientiert zeigt. Unternehmen, die sich von den althergebrachten Verkaufsschemata verabschieden, deren Vertrieb ganzheitliche Lösungen anbietet und somit Win-win-Situationen schafft, erhöhen ihre Chancen im Wettbewerb. Nur Maschinenhersteller, die sich den weitreichenden Ansprüchen der Kunden anpassen, den Nutzen ihrer Leistung nicht nur in der Qualität der Maschinen oder der Peripherie sehen, sondern den Wunsch nach integrierten Lösungen nicht aus den Augen verlieren, werden also langfristig ihre Erfolge steigern.
Prof. Dr. Markus B. Hofer, Geschäftsführer von EbelHofer Strategy & Management Consultants; Lehrbeauftragter in der International School of Management (ISM)
EbelHofer Strategy & Management Consultants ist eine Unternehmensberatung mit dem Beratungsfokus auf der Realisierung und Steigerung von profitablem Wachstum. Konsequent darauf fokussiert, unterstützt EbelHofer Consultants internationale Unternehmen auf der Markt- und Kundenseite. Dabei bilden die Bereiche Strategie, Pricing, Vertrieb und Marketing die Schwerpunkte. Sie gehören zu den wichtigsten Ertrags- und Wachstumsstellhebeln in den Unternehmen. EbelHofer Consultants begleitet zudem den Prozess bis zur erfolgreichen Umsetzung. So werden aus Konzepten die gewünschten Lösungen und aus Potenzialen optimale Ergebnisse.