Der Gebäudebestand ist für rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und für mehr als 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Besonders bei Gewerbeimmobilien besteht Nachholbedarf. Sie gelten als besonders anspruchsvoll. Entsprechend klein ist die Zahl der Projektentwickler, die sich auf die Revitalisierung von großen Gewerbe- und Büroimmobilien spezialisiert haben. „Zwar mögen 2,7 Mio. Nichtwohngebäude in Deutschland im Vergleich zu 19 Mio. Wohngebäuden auf den ersten Blick wenig relevant erscheinen, aufgrund ihrer jeweils großen Flächen fällt ihr Anteil am Endenergieverbrauch laut der Deutschen Energie-Agentur (dena) mit 36 Prozent dafür umso höher aus“, konstatiert Schwaiger.
„Rund 90 Prozent aller Gebäude in Deutschland entsprechen nicht mehr den aktuellen Energiestandards. Besonders bei großflächigen Gewerbeimmobilien besteht ein großes Einsparpotenzial. Mit dem Revitalisierungsansatz erreichen wir nicht nur im Ergebnis nachhaltige Immobilien, sondern auch der Weg dorthin wird umweltschonend beschritten, weil die graue Energie im Immobilienbestand berücksichtigt wird.“ Als graue Energie wird die Primärenergie bezeichnet, die notwendig ist, um ein Gebäude zu errichten. Dazu gehört etwa die benötigte Energie für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung der einzelnen Baustoffe und Bauprodukte. Weil bei der Revitalisierung wesentliche Teile des Gebäudes erhalten bleiben, werden weniger Ressourcen und damit graue Energie benötigt als beim Neubau. Laut Schwaiger verschiebt sich im Zuge Klimadebatte immer mehr der Fokus von der reinen Energieeffizienz zu einer Emissionsbetrachtung über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie.
Gewerbe- und Büroquartier Centro Tesoro: Erste Bestandsimmobilie mit LEED Platin
Wie alter Gewerbebestand wieder zukunftsfähig saniert werden kann, hat die Schwaiger Group zuletzt am Münchner Gewerbe- und Büroquartier Centro Tesoro demonstriert. Das Unternehmen hat das 24.000 Quadratmeter große Projekt aus einer 80er-Jahre Gewerbeimmobilie und einer 90er-Jahre Büroimmobilie zusammengeführt, entlang eines grünen Kriterienkatalogs nachhaltig revitalisiert und technologisch zukunftsweisend ausgebaut. Dass die Revitalisierungsmaßnahmen der Schwaiger Group deutlich über das übliche Maß hinausgehen, zeigt die Auszeichnung durch das U.S. Green Building Council, dass dem Quartier als erste Bestandsimmobilie bundesweit das Green Building Label LEED Platin (Leadership in Energy and Environmental Design) bescheinigt hat. Zahlreiche Innovationen wie etwa Münchens größte Aufdach-Solaranlage oder Münchens erstes Unterflur-Müllsystem brachten dem Unternehmen bereits den Exporo Award „Nachhaltigstes Immobilienprojekt 2019“ ein.
Der Schlüssel zum grünen Erfolg: Erhalten anstatt Abreißen. Das LEED Platin zertifizierte Green Building verfügt mit 1.354 Photovoltaik-Modulen über Münchens größte Aufdach-Solaranlage (Mieterstrommodell), Münchens erstes Unterflur-Abfallsystem, E-Lade- und Fahrradleihstationen, eine hocheffiziente Heizanlage mit neuester Gas-Brennwert-Technik sowie eine smarte Gebäudeleittechnik. Um den Verbrauch an Primärrohstoffen weiter zu reduzieren, wurden Bau- bzw. Werkstoffe danach ausgewählt, wie hoch ihr Recycling-Anteil ist. Das gleiche galt bei der Auswahl der Partnerfirmen. Bei der Aufstockung und Verstärkung bestehender Wände kamen Recycling-Baustoffe wie Recycling-Beton oder etwa Bruch und Aushub als Hinterfüllmaterial zum Einsatz.
Weil die Schwaiger Group dem Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich Rechnung tragen möchte, hat das Unternehmen für jede Gewerbeeinheit eine eigene Heizungsregelung installiert und zur optimalen Wasserersparnis Selbstschlussarmaturen eingebaut. Mit der Ansiedlung abwechslungsreicher Gastronomie sorgt der Projektenwickler zudem für eine hohe Standortqualität, die für eine nachhaltige Quartiersentwicklung wichtig ist. „Wir wollen die gesetzlichen Vorgaben nicht einhalten, sondern deutlich übertreffen. Schließlich ist unser Anspruch, die Zukunftsfähigkeit eines Objektes herzustellen und nicht die Erfüllung eines Paragraphen“, sagt Schwaiger. So liege die Dämmung der Außenhülle etwa rund 40 Prozent über den gesetzlichen Vorgaben. „Zusammen mit den Maßnahmen im TGA-Bereich und der neuen Heizanlage, aber auch den Kosteneinsparungen durch das Unterflurabfallsystem konnten wir die Nebenkosten von 3,57 Euro auf 1,39 Euro pro Quadratmeter senken.“
Auch beim 25.000 Quadratmeter umfassenden Bürokomplex Hatrium in Unterhaching hat sich die Schwaiger Group entschieden, auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Neben einer großflächigen Aufdach-Photovoltaikanlage wurde die gesamte TGA im Gebäude für die Geothermienutzung über Fernwärme umgestellt. „Eine Aufgabe, die bei Bestandsimmobilien normalerweise keiner freiwillig in Angriff nimmt“, stellt Schwaiger fest. Die Analyse des Bestandes stellt selbst für erfahrene Projektentwickler eine aufwendige und anspruchsvolle Aufgabe dar. Ein Blick auf die Zahlen rechtfertigt den erheblichen Mehraufwand: Der Primärenergiefaktor der geothermischen Fernwärme in Unterhaching ist mit aktuell 0,24 vergleichsweise niedrig und liegt damit deutlich günstiger als der Faktor für Erdgas (1,0). Heizöl liegt sogar noch höher.