Engpässe bei den Prüfstellen und fehlende Kapazitäten stellen Hersteller von In-vitro-Diagnostika vor Herausforderungen
Darmstadt, 16. Mai 2022 – Während Medizintechnikhersteller noch mit der Umsetzung der MDR vom letzten Jahr ringen, taucht am Compliance-Himmel bereits die nächste Hürde auf. Die am 26. Mai in Kraft tretende Europäische Verordnung für In-vitro-Diagnostika (IVDR) soll Sicherheit garantieren und innovationsfördernd wirken. Hersteller und Verbände befürchten hingegen Probleme.
Ein möglicher Knackpunkt der neuen Diagnostika-Verordnung liegt wie bereits bei der MDR in den fehlenden Kapazitäten – sowohl auf Herstellerseite als auch bei den Prüf- und Zertifizierungsstellen. Derzeit sind in der EU lediglich sechs von 22 Stellen benannt, die IVDs zulassen dürfen. Der Geltungsbereich von IVDR ist jedoch deutlich weiter ausgelegt als bei der Vorgänger-Verordnung IVDD und umfasst 77% aller IVD-Produkte. Im Vergleich: Von IVDD (In Vitro Diagnostic Directive) waren gerade einmal 8% betroffen. Für die Überprüfung der schätzungsweise 24.000 IVDs (In vitro Diagnostic Devices) stehen also momentan nur eine Handvoll zertifizierter Prüfstellen zur Verfügung.
Zudem wächst der bürokratische Aufwand. Neben strengeren Vorgaben hinsichtlich der technischen Dokumentation und klinischen Bewertung sowie der Vergabe einmaliger Produktnummern (UDI) müssen Hersteller von In-vitro-Diagnostika einen qualifizierten IVDR-Verantwortlichen bestimmen. Vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen stehen hier zwangsläufig Investitionen hinsichtlich Personal, Prozesse und Fortbildungsmaßnahmen an.
Angesichts der zu erwartenden längeren Konformitätsbewertungsverfahren sowie den nötigen Mehraufwand im Bereich Compliance sehen Branchenverbände in der IVDR daher eher eine Investitionsbremse als einen Innovationsschub. Die Sorge besteht, dass Hersteller – wie bereits nach Einführung der MDR – ihr Produktportfolio bereinigen und die Entwicklung neuer Produkte zurückfahren.
“Die Compliance ist letztendlich die Aufgabe des Inverkehrbringers. Damit bleibt, was das Outsourcing angeht, nicht viel Spielraum. Im Vorfeld der Zertifizierung können Hersteller jedoch viel Zeit, Kosten und Nerven sparen, wenn sie sich externe Hilfe holen”, erklärt Robert Frodl, Director – DACH Region Customer Development for Engineering Solutions bei Plexus. “Als E2MS-Dienstleister können wir bei der Aufbereitung der technischen Dokumentation unterstützen und gemeinsam mit dem Kunden GAP-Analysen durchführen. So lässt sich schon frühzeitig feststellen, bei welchen Geräten und Systemen die IVDR-Compliance lückenhaft ist und nachgebessert werden muss. Plexus verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich Life Science und Medizintechnik – was ein klarer Vorteil ist. Denn wenn bei einer Neuklassifizierung von Diagnostik-Produkten technische Änderungen anfallen, können wir diese schnell und kosteneffizient umzusetzen. Überhaupt ist der richtige Mix aus Engineering- und Compliance-Expertise entscheidend.”
Es gibt jedoch auch eine gute Nachricht in Sachen IVDR. Mit Blick auf die Corona-Krise und den aktuellen Engpässen hat die EU die Übergangsfristen für Hersteller verlängert. Das ändert zwar nichts am Inkrafttreten der Verordnung im Mai. Hersteller, die ihre Produkte nach dem 25. Mai 2017 IVDD-konform zertifiziert haben, erhalten jedoch (je nach Risikoklasse) mehr Zeit für das Konformitätsbewertungsverfahren. IVDR-Anforderungen in Bezug auf Post-Market Surveillance (PMS), Vigilanz sowie die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten bleiben davon allerdings ausgenommen.