Mercedes-Benz Trucks präsentierte als Weltpremiere den eActros für kurze Strecken. Der vorgestellte Sattelschlepper wird in diesem Herbst in der Produktion gehen und damit eine neue Epoche im Kurzstreckenverkehr einläuten.
Die Ausstrahlung findet in Stuttgart statt. Der von drei auf null gezählte Countdown, bevor die Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz Trucks, Karin Redström, ihre Rede begann, wurde als Demonstration dreier abwechselnd gebogener Finger gezeigt. Auf den ersten Blick scheint dieses abgedroschene Regiekonzept nichts Besonderes zu sein. Aber nachdem man den Präsentationsfilm gesehen hat, versteht man, dass diese Deutschen die Finger mit einer sinnvollen Bedeutung verbogen haben.
Die Nahaufnahme einer Hand mit drei ausgestreckten Fingern wird mit dem Markenzeichen der Marke Mercedes-Benz assoziiert, die vor kurzem ihr 125-jähriges Bestehen feierte. Dies war der erste Punkt, über den Frau Redström in ihrer Rede sprach: “Heute ist ein besonderer Tag. Mercedes-Benz hat die 125-jährige Unternehmensgeschichte überschritten. Wir können also mit Recht behaupten, dass wir sehr oft der Urheber von Innovationen in der Branche waren. In dieser Tradition stellen wir zu diesem Anlass unseren ersten in Serie gefertigten Elektro-Lkw, den eActros, vor.
Der dreiseitige Stern ist eine der berühmtesten und teuersten Marken der Welt. Es gibt viele Deutungen des Zeichens, die von sehr einfach bis hin zu geradezu mystisch reichen. Einer Darstellung zufolge ist der dreistrahlige Stern ein altes alchemistisches Symbol für die Energie des Feuers. Aber die Präsentation des eActros hat deutlich gemacht, dass die qualmenden Epochen der feuerspeienden ICEs der Vergangenheit angehören. Es wird durch ein anderes ersetzt – ein saubereres, leiseres und umweltfreundlicheres elektrisches Element, das schließlich den Energiewettlauf gewinnen und der Hauptmotor der Lkw-Industrie der Zukunft werden wird.
Der Chef von Mercedes-Benz Trucks betonte, dass der Verkehrsbereich Teil des Umweltproblems sei und eine der Hauptursachen für den negativen Klimawandel darstelle. Aus diesem Grund erscheint die Einführung des serienmäßig hergestellten Elektro-Lkw als wichtiger Schritt auf dem Weg zu dem übergeordneten langfristigen Ziel, bis zum Jahr 2039 eine vollständig CO2-neutrale Verkehrsbranche in Europa zu erreichen. Mercedes ist davon überzeugt, dass der Elektro-Lkw das Gesicht der gesamten Branche radikal verändern wird, weshalb die Präsentation unter dem schönen Motto “Ein neuer Lkw für eine neue Epoche” stand (das Wort Epoche” beginnt mit dem lateinischen Buchstaben e”, was sich direkt auf die Vorherrschaft der Elektrizität bezieht).
Bei zwei spreizen Sie Zeige- und Mittelfinger in Form des Zeichens “Victoria”. (V), verweilte länger im Bild. Und es ist schwierig, dieser Geste des Sieges nicht zuzustimmen. Die Lkw-Sparte des Unternehmens feiert gleichzeitig ihr Markenjubiläum, da sie zu den ersten gehörte, die den eActros in Serie brachten, und ihren Sieg als Vorreiter bei der Herstellung elektrisch leistungsstarker Serien-Lkw feiert. Darüber hinaus ist der Countdown bis zum Nullpunkt vor der Markteinführung nicht mehr nur symbolisch, sondern steht für den Aufbruch der Serienproduktion in eine neue elektrische Ära und unterstreicht das Engagement der deutschen Marke für eine umweltfreundliche Zukunft.
Der Hersteller betonte, dass eActros gemeinsam mit den Kunden entwickelt wurde und nun mit einem kompletten Angebot an technischen Dienstleistungen, mit Consulting und Online-Support sowie mit maßgeschneiderten Lösungen für die Ladeinfrastruktur vom ersten Tag an in die Serienproduktion geht. All diese Arbeiten wurden im Vorfeld durchgeführt, damit die Transportunternehmen problemlos auf Elektromobilität umsteigen können.
Auf der IAA 2016 in Hannover waren erstmals fertige “E-Trucks” zu sehen. Sie verfügten jedoch nicht über die für den praktischen Betrieb erforderlichen technischen Merkmale. Es dauerte weitere zwei Jahre, um die wichtigsten Komponenten und Bauteile zu verfeinern. Im Jahr 2018 begannen mehrstufige Tests, darunter ein Testbetrieb mit Kunden. Die Entwicklung und gemeinsame Testphase der innovativen Fahrzeugprototypen wurde im Rahmen des Projekts Concept ELV vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in unterschiedlichem Umfang gefördert. Insgesamt haben die Prototypen mehr als eine halbe Million Kilometer durch Europa zurückgelegt. Die Feedbacks der Partner zu den Prototypen wurden systematisch dokumentiert und der Hersteller anschließend einem umfassenden Analyse- und Fehlerkorrekturprozess unterzogen. Bei der Präsentation erklärte ein Sprecher von Mercedes-Benz Trucks, dass die Serienmodelle des eActros die Prototypen in einer Reihe von Eigenschaften wie Reichweite, Leistung und Sicherheitssysteme deutlich übertreffen.
Andreas von Wallfield, Head of Marketing, Sales and Service bei MB Trucks, sagt, dass die Antwort auf die häufigste Frage nach der Reichweite mit einer Batterieladung von Betriebsparametern wie Umgebungstemperatur, Ladegewicht, Geschwindigkeit und Straßenbedingungen abhängt. Mit einer maximalen Batteriekapazität von 420 kWh lässt sich im Idealfall eine Reichweite von bis zu 400 km erzielen. Das Standardmodell ist mit drei oder vier Akkupacks (je nach Kundenwunsch) mit einer Kapazität von jeweils ca. 105 kWh ausgestattet. eActros können mit bis zu 160 kWh aufgeladen werden. Unter durchschnittlichen Bedingungen bei Anschluss an ein 400-A-Gleichstromgerät und einer Umgebungstemperatur von 20 °C – benötigen die drei Batteriesätze etwas mehr als eine Stunde, um einen Erregungsgrad zwischen 20 und 80 % zu erreichen. Der verwendete Ladestandard ist das kombinierte CCS-System. Der eActros benötigt zum Aufladen einen Stecker vom Typ CCS Combo-2.
eActros nutzt die globale ePowertrain-Plattformarchitektur. Sein technologisches Kern ist der Antriebsstrang. Es sind eine Antriebsachse mit zwei eingebauten Elektromotoren und ein Zweigang-Getriebe. Im Vergleich zu den mittenbetonten Konzepten bietet diese Variante eine Reihe von zusätzlichen Vorteilen. So ermöglicht die komplexere Bauweise den Einbau einer größeren Batteriekapazität, was natürlich die Reichweite erhöht, während die direkte Energieübertragung bei diesem Konzept die Produktivität steigert. Beide Motoren sind flüssigkeitsgekühlt und liefern eine Dauerleistung von 330 kW, die bei Spitzenleistung auf 400 kW erweitert werden kann. Die Leistungsverknüpfung zwischen den Motoren und dem Getriebesystem ermöglicht ein nahezu sofortiges Antriebsmoment, was eine dynamische Beschleunigung und ein komfortableres Fahrverhalten im Vergleich zu den Möglichkeiten eines Dieselmotors bedeutet.
Wie alle Elektrofahrzeuge ist auch der eActros praktisch geräuschlos. In manchen Fällen kann dies zu gefährlichen Situationen mit Fußgängern und Radfahrern führen. Um Auffahrunfälle zu vermeiden, ist der eActros mit einem externen akustischen Fahrzeugwarnsystem (AVAS) ausgestattet. Das System besteht aus zwei Lautsprecherboxen, die im vorderen und hinteren Teil des Fahrzeugs angebracht sind. Sie sind untereinander und mit dem Fahrzeug durch eine clevere Regie verbunden. Je nach Bedingungen geben die Lautsprecher Töne nach vorne oder hinten ab. Darüber hinaus ist das neue Modell serienmäßig mit dem automatischen Bremssystem AVAS5 mit Fußgängererkennung und dem Sideguard Assist S1R ausgestattet, der bei Kurvenfahrten in der Stadt hilft.
Die Serienproduktion des eActros wird im Herbst 2021 im Werk in Werth gestartet, wo bereits eine Montagereihe errichtet wurde. Alle Techniker müssen die entsprechenden Qualifikationen im eigenen Ausbildungszentrum des Unternehmens erwerben. Das Assembling-Werk ist flexibel, so dass sowohl Elektro- als auch Dieselfahrzeuge gleichzeitig montiert werden können. Die Deutschen sind der Meinung, dass die Produktion der verschiedenen Fahrzeugtypen vernetzt werden sollte und dass die Grundkonstruktion des Fahrzeugs auf derselben Produktionslinie hergestellt werden sollte, unabhängig davon, ob es mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor oder einem elektrischen Antriebssystem ausgestattet ist.
Bei der Präsentation wurde deutlich, dass Mercedes und schwierigere Elektrolösungen nur durch einen kurzen Abstand getrennt sind. Der E-Lkw eActros LongHaul mit großer Reichweite wird voraussichtlich 2024 auf den Markt kommen, während der schwere Lkw GenH2 mit Wasserstoff-Brennelementen in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts erscheinen wird. Darüber steht im nächsten Jahr der Mercedes-Benz eEconic, ein E-Lkw mit niedrigem Fahrgestell, zur Serieneinführung an.
Die vielen Vorteile von Actros werden durch eine innovative Antwort auf das Problem des Arbeitskräftemangels im Transportsektor ergänzt. Das technisch/technologisch hoch aufgeladene, ressourceneffiziente und komfortable E-Truck ist zweifellos in der Lage, notwendige Fachkräfte für das Transportgewerbe zu gewinnen, da seine innovativen Eigenschaften die Tätigkeit der Fahrer erleichtern und das Image der Transportunternehmen verbessern.
Es wird deutlich, dass Mercedes-Benz Trucks bei der Präsentation nicht grundlos Däumchen gedreht hat. Und der berühmte Autokonzern hat so viele Innovationen und Pläne, dass man nicht genug Finger an zwei Händen hat.