Prozessoptimierung durch eProcurement
Experten und eigentlich auch die mittelständischen Unternehmen selbst sind sich einig, dass man heute um Digitalisierung nicht mehr herumkommt. Doch das Was und Wie liefert oft mehr Fragen als Antworten. Dass es sich lohnt, digitalisierte Arbeitsweisen weiter auszubauen und tägliche Routinen auf die Prozessbeschleunigung hin zu hinterfragen, zeigt das Maschinenbau-Unternehmen KTR Systems. Seit 2019 stellt KTR neben vielen Bereichen auch die Einkaufsabteilung digital auf. Durch die Zentralisierung und Automatisierung von Beschaffungsprozessen über die eProcurement-Plattform simple system lassen sich heute viele positive Effekte nachweisen.
Als Hidden Champion wird ein Unternehmen bezeichnet, das in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist, doch in der jeweiligen Branche als Marktführer auftritt: so der Fall KTR Systems, den das Forschungszentrum Mittelstand in seiner Studie 2021 als eine dieser verborgenen Marktgrößen in NRW ausmachte. Das westfälische Maschinenbau-Unternehmen ist spezialisiert auf die Herstellung von Antriebskomponenten, Bremssystemen, Hydraulik-Komponenten sowie Kühlsystemen. Mit knapp 500 Mitarbeitern am Hauptsitz Rheine ist KTR der viertgrößte Arbeitgeber der Region. Weltweit beschäftigt KTR knapp 1.100 Angestellte, die einen Umsatz von ca. 300 Mio. Euro pro Jahr (Zahl aus 2021) erwirtschaften. Der Erfolg des Unternehmens, das damals noch als ‘Maschinenfabrik F. Tacke KG’ firmierte, begann 1959 mit der Erfindung und Patentierung einer revolutionären Bogenzahnkupplung. Die Tochter KTR Systems knüpfte an diesen Erfolg an, ist seither aber enorm gewachsen: Heute produziert KTR eine Reihe verschiedener Antriebs- und Kupplungskomponenten und betreibt Produktionsstandorte in Brasilien, China, Indien und den USA.
Bis vor zwei Jahren wickelte die KTR-Einkaufsabteilung die Beschaffung über die Online-Marktplätze und digitalen Portale ihrer Lieferanten ab. Eine tatsächliche Optimierung der Arbeitsabläufe war das jedoch kaum, denn der Beschaffungsprozess durchlief immer noch die aufwändigen analogen Verwaltungsstufen. Zudem kauften manche Mitarbeitenden unkontrolliert am Einkauf vorbei (sog. Maverick Buying) ein. Chris Trommer, Einkaufsleiter bei KTR Systems, beschreibt: “Trotz erzielter Prozessoptimierungen nahm insbesondere der Bestellablauf indirekter Bedarfe immer noch zu viel Zeit und Ressourcen in Anspruch. Daher haben wir 2019 begonnen, nach Lösungen zu suchen, wie wir die Abwicklung indirekter Bedarfe nachhaltig optimieren können.” Ein von Studenten der WHU besetztes Projektteam erarbeitete einen auf KTR zugeschnittenen Soll-Prozess. Die verschiedenen Bezugsquellen sollten dabei in einer Lösung zentral zusammengefasst, jedoch von den KTR-Nutzern dezentral genutzt werden können. Aus der Suche nach Lösungsanbietern ging die eProcurement-Plattform simple system als Sieger hervor.
Die Münchener Beschaffungsexperten stellen mit ihrem Portal simple system sowohl einkaufenden Unternehmen als auch Lieferanten einen neutralen digitalen Marktplatz zur Verfügung, auf dem diese unmittelbar miteinander Geschäfte abschließen können. “Wir haben uns vor allem wegen der guten Beratung im Vorfeld für simple system entschieden. Aufgrund unserer Unternehmensstruktur benötigten wir für die indirekte Beschaffung besondere Funktionen”, so Trommer. Damit fielen Standardanbieter bereits im Vorfeld weg.
Zu Beginn der Einführungsphase Ende 2019 gab es in der KTR-Belegschaft durchaus Skepsis gegenüber der Prozessveränderung, erinnert sich Trommers Mitarbeiterin Olga Holthaus, die für den Bereich der indirekten Beschaffung zuständig ist: “Einige befürchteten anfangs, dass sie neben ihrem Job jetzt noch die Aufgaben der Einkaufsabteilung übernehmen sollen. Aber das stimmte so natürlich nicht.” Mit simple system wurden Mitarbeitende an Schlüsselbedarfsstellen befähigt, selbstständig über die Plattform und anhand von abgestimmten Lieferantenkatalogen und verhandelten Sortimenten Waren und Produkte zu bestellen, ohne zuvor Anträge bei der Einkaufsabteilung einreichen zu müssen. Diese verhandelt nun lediglich noch die Konditionen und kann bei Unregelmäßigkeiten im Bestellverhalten eingreifen. “An den Endgeräten brauchen die User weder VPN noch SAP-Schnittstelle”, so Holthaus. “Während des Auftragsvorgangs wird über die Plattform automatisch mithilfe des simple system Cockpit® eine technische Kopie der Bestellung im SAP für die Rechnungsprüfung angelegt. Das erhöht die Usability im Betriebsalltag massiv und hat schnell zu einer breiten Akzeptanz in der Belegschaft geführt.”
Ein weiterer Grund für die Entscheidung für simple system war das große Lieferantenangebot. “Einige unserer Lieferanten, mit denen wir schon seit Langem in einer Geschäftsbeziehung stehen, waren bereits auf dem Marktplatz. Das hat die Transformation natürlich erleichtert”, schildert Holthaus. Doch auch die Beziehungen zu anderen Lieferanten, die noch nicht auf simple system vertrieben haben, konnten aufrechterhalten werden. Trommer erläutert: “Im Gespräch mit unseren Lieferanten verspürten wir teilweise eine Unsicherheit, was ein Umstieg auf den simple system Marktplatz für unsere Geschäftsbeziehung bedeutet. Wir haben von Anfang an klargestellt, dass wir die Geschäfte fortsetzen möchten und so haben sich einige dazu entschieden, auf simple system aktiv zu werden. Gerade die einfache Katalogerstellung auf der Plattform läuft sehr intuitiv und schnell umsetzbar, loben unsere Geschäftspartner.”
Im November 2021 wurde die technische Implementierungsphase bei KTR Systems offiziell abgeschlossen. Seitdem werden bereits etwa ein Drittel der indirekten Beschaffungsvorgänge über simple system abgewickelt, Tendenz stark steigend. Die Produktgruppen reichen aktuell von Hand- und Messwerkzeugen über PSA (persönliche Schutzausrüstung) und Hilfsbetriebsstoffe bis hin zu klassischen Büromaterialien und Betriebs- und Geschäftsausstattung. Derzeit umfasst das über die Plattform abgewickelte Bestellvolumen knapp 100.000 Euro. Erklärtes Ziel für die kommenden Monate ist eine Aufstockung auf mindestens zwei Drittel und das Onboarding weiterer Lieferanten auf der Plattform. “Unser Plan einer Prozessverschlankung und Ablaufoptimierung ging schon jetzt voll auf: All diese selbstständigen Bestellungen kommen bei uns im Einkauf heute schon gar nicht mehr an. Der Prozess läuft vollkommen automatisiert über die Verantwortlichen der Abteilungen”, freut sich Olga Holthaus, die ihren Job in Teilzeit aus dem Homeoffice stemmen kann. Aufgrund der wegfallenden Verwaltungsaufgaben spart KTR über alle Abteilungen hinweg pro Bestellung etwa eine Stunde Arbeitszeit. “Das ist wertvolle Zeit, die wir für das Onboarding neuer Lieferanten und das Führen wichtiger Preisverhandlungen nutzen. Letztlich auch dazu, Investitionen voranzubringen”, zieht Chris Trommer zufrieden Fazit.